Künstliche Intelligenz verändert die Welt – wirtschaftlich, technologisch und zunehmend auch sozial. Für den US-Vizepräsidenten J.D. Vance ist dabei nicht nur die Frage relevant, welche Berufe durch Automatisierung verändert oder ersetzt werden, sondern vor allem, wie tiefgreifend die Technologie unser menschliches Miteinander beeinflussen könnte.
In einem Gespräch mit dem Journalisten Ross Douthat von der New York Times machte Vance deutlich: Die größte Gefahr der KI liegt seiner Ansicht nach nicht im Verlust von Arbeitsplätzen, sondern in der Verschiebung menschlicher Beziehungen. Besonders kritisch sieht er die Rolle von Chatbots im Kontext romantischer Partnerschaften.
«Menschen beginnen, sich an Chatbots zu gewöhnen, die ihnen einen Dopaminschub geben. Im Vergleich dazu wirkt eine echte menschliche Interaktion oft weniger befriedigend – weil Menschen nun einmal Erwartungen, Wünsche und Schwächen haben.»
Vance beschreibt die heutige Jugend als zunehmend isoliert – auch durch den Einfluss moderner Technologien wie Dating-Apps. Diese hätten, so seine Einschätzung, das natürliche Kennenlernen erschwert.
«Viele junge Männer und Frauen gehen nicht mehr auf Dates, heiraten nicht, gründen keine Familien», so der Vizepräsident.
In diesem Vakuum biete die KI vermeintliche Nähe, sei aber letztlich nur ein digitaler Trostspender. Chatbots sind für Vance ein «Pflaster gegen die Einsamkeit» – eine Metapher, die nicht nur das heilende, sondern auch das oberflächliche, kurzfristige Moment solcher Interaktionen betont. Die eigentliche Sorge: Dass Millionen junge Menschen eine emotionale Bindung zu Maschinen aufbauen, die zwar reagiert, aber nicht wirklich mitfühlt.
Während er beim Thema Arbeit und Wirtschaft optimistisch bleibt – «KI macht Menschen produktiver, ersetzt sie aber nicht zwangsläufig» – sieht er in der sozialen Nutzung der Technologie «eine tief dunkle und negative Entwicklung». Er zieht einen Vergleich zur Einführung von Geldautomaten in den 1970ern: Statt Jobverluste kam es zu einer Transformation der Tätigkeiten. Dasselbe, so Vance, könne mit Fahrern und anderen Berufsfeldern geschehen. Aber:
«Was ist, wenn wir Millionen Teenager haben, die ihre tiefsten Gedanken mit Chatbots teilen, die lediglich dafür programmiert sind, ihre Aufmerksamkeit zu binden?»
Auch im Bereich der nationalen Sicherheit sieht Vance Gefahren. Die Möglichkeiten der KI im Cyberbereich, bei der Kommunikationstechnologie und sogar im Weltraum könnten die bestehende Infrastruktur angreifbar machen.
«Wir könnten bald in einer Welt aufwachen, in der Cyber-Sicherheit ein Relikt der Vergangenheit ist», warnt er.
Vance bleibt kein technikfeindlicher Pessimist – im Gegenteil. Er erkennt das wirtschaftliche Potenzial und plädiert für einen differenzierten Blick auf Innovation. Doch gleichzeitig fordert er eine gesellschaftliche Debatte über die menschliche Dimension von KI, besonders dort, wo es um Nähe, Liebe und Vertrauen geht.
«Wenn das Gegenüber kein Mensch mehr ist, sondern ein Algorithmus, der nur unsere Zeit maximieren will – dann verlieren wir etwas zutiefst Menschliches.»